Das Finanzamt und die virtuelle Welt

In Deutschland nimmt das Interesse an NFTs, Blockchain und Bitcoins aufgrund ihres Potenzials für digitale Investitionen, ihres Einflusses auf die Finanzbranche und der zunehmenden Akzeptanz von KryptowĂ€hrungen in der Gesellschaft stetig zu. Auch der Fiskus musste sich mit diesem Thema auseinandersetzen und hat hierzu im letzten Jahr ein lang erwartetes BMF-Schreiben veröffentlicht. Um aber das BMF-Schreiben vom 10.05.2022 nachvollziehen zu können, sollte man sich fragen, was genau „virtuelle WĂ€hrungen und sonstige Token“ sind?

KryptowĂ€hrungen und NFTs – Steuerrecht vor der Zerreißprobe

Welche Token gibt es?

Ein Token (zu Deutsch: eine Wertmarke) ist ein Objekt undefinierter Natur. Diesem Token kann man einen spezifischen Wert zuordnen und ihn in folgende Unterarten kategorisieren:

  • Currency bzw. Payment Token: Jeder Token ist mit einem Betrag als Wert versehen und kann so vom Besitzer als Zahlungsmittel benutzt werden. Man spricht in diesem Fall von einer virtuellen WĂ€hrung.
  • Utility Token: Ein Utility Token reprĂ€sentiert ein bestimmtes Recht, sei es nun ein Nutzungs-, Stimm- oder Bezugsrecht.
  • Security Token: Diese sind das Äquivalent zu den klassischen Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Eine systematische Unterteilung erfolgt demnach in:
    • Equity Token: ein Token, der ein BeteiligungsverhĂ€ltnis reprĂ€sentiert
    • Debt Token: ein Token, der ein SchuldverhĂ€ltnis reprĂ€sentiert

Blockchain – die unverĂ€nderliche Datenbank

Bewegt man sich im Bereich der KryptowĂ€hrungen, kommt man nicht am Begriff der „Blockchain“ vorbei.

Die Entwicklung der Blockchain-Technik bietet die Möglichkeit, Transaktionen ohne die Notwendigkeit „eines Dritten“ sicher und nachvollziehbar abzuwickeln. Hierbei „hĂ€ngt“ sich jede neue Transaktion, wie bei einer Kette, einfach an die letzte Transaktion. Dies führt zu einer manipulationssicheren Kennzeichnung. Entscheidend ist das Festhalten der Transaktionsdaten in Blöcken. Mit Hilfe von Rechenleistung erfolgt eine numerische Ermittlung der Blöcke und die vorangegangenen Blöcke können angehĂ€ngt werden.

Dieser Prozess der Herstellung von neuen Blöcken bezeichnet man als „mining“, „forging“ oder „minting“, abhĂ€ngig von der verwendeten Herstellungsmethode. Die Schaffung neuer Blöcke belohnt der Betreiber der Blockchain mit Einheiten einer virtuellen WĂ€hrung.

Was sagt die Finanzverwaltung dazu?

In ihrem BMF-Schreiben legt die Finanzverwaltung den Fokus auf den Herstellungsprozess neuer Blöcke. Die Frage, ob diese „Herstellung“ ein Anschaffungsvorgang ist, beantwortet die Finanzverwaltung eindeutig mit „ja“! Infolgedessen ist regelmĂ€ĂŸig zu prüfen, ob

  • ein Totalgewinn erzielbar ist,
  • eine Wiederholungsabsicht besteht und
  • eine Teilnahme am wirtschaftlichen GeschĂ€ftsbetrieb vorliegt.

Laut BMF wird letztgenannter Punkt jedoch bereits bei Zurverfügungstellen von Rechenleistung regelmĂ€ĂŸig angenommen. Und somit liegen Einkünfte i. S. v. § 15 EStG vor.

KryptowĂ€hrungen sind volatiler Natur und nur in begrenzten Mengen verfügbar. Dies hat zur Folge, dass der eingesetzte Euro des Anlegers nicht dem Wert des Herstellers entspricht. Klassisch nach Angebot und Nachfrage orientiert sich der Preis am aktuellen Marktwert (hierzu: Rz. 43–44 des BMF-Schreibens vom 10.05.2022).

Nach dem BMF-Schreiben und dem BFH-Urteil vom 14.02.2023 betrÀgt die Spekulationsfrist lediglich 1 Jahr.



 und die NFT (Non-Fungible Token)?

Erstaunlich ist, dass hierbei die NFT, eben jene Token, denen eine gewisse „Einzigartigkeit“ zusprochen wird, vollkommen außer Acht bleiben. NFT erfahren derzeit durch entsprechende Positionierung in den einschlĂ€gigen Medien und Plattformen einen Bekanntheitsboom. In diesem Falle würde eine VerĂ€ußerung eines virtuellen Grundstücks im Metaverse innerhalb der Spekulationsfrist zu Einkünften i. S. v. § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 (1) S. 1 Nr. 2 EStG führen. Das Problem dahinter ist, dass eben über die bereits genannte Gamification der Inhalte ein Einstieg in diese Prozesse deutlich erleichtert wird und es oftmals für den Nutzer unklar sein kann, welchen Effekt seine Handlungen im steuerlichen Bereich ausgelöst haben.

Eine steuerliche Würdigung ist möglich

Dass eine solche steuerliche Würdigung möglich ist, bewies der fünfte Senat des BFH in seinem Urteil vom 18.11.2021 (V R 38/19), in welchem er zur Fragestellung der Steuerbarkeit einer „Vermietung“ von virtuellem Land in einem Online-Spiel Stellung nahm. Dies zeigt, dass sich auch das Steuerrecht nicht vor den Neuerscheinungen der Digitalisierung verstecken kann.

„Steuerrecht kann sich nicht vor den Neuerscheinungen der Digitalisierung verstecken.“

Welche Schlüsse ziehen wir daraus?

Vielmehr ist es wichtig, dass nunmehr frühzeitig Regelungen geschaffen werden, welche es den Steuerpflichtigen möglich machen, rechtssicher in dieser neuen Umgebung agieren zu können. Denn wie Prof. Dr. Heuermann treffend formulierte: „Die Welten sind nicht so einfach zu trennen – auch virtuelle oder Subwelten gibt es und sie wirken auf das reale Geschehen ein. Sie sind nicht irreal!“ (Heuermann zu BFHUrteil vom 18.11.2021 – V R 38/19 in DStR 11/2022; S. 547-553).

Über den Autor:

Thomas Wiegmann ist Diplom-Finanzwirt und Steuerberater. Er ist GeschĂ€ftsführer bei der sbu/ Sterzenbach & Kollegen Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co. KG in Mülheim an der Ruhr. Seit über 25 Jahren unterrichtet er als freiberuflicher Dozent und lehrt in den Bereichen Bilanzsteuerrecht, Einkommensteuerrecht, Abgabenordnung und Gesellschaftsrecht. Für die Steuer-Fachschule Dr. Endriss ist er neben zahlreichen Seminaren auch in den VorbereitungslehrgĂ€ngen für Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirte und Steuerberater tĂ€tig. Zudem verfasst er Fachbücher und publiziert regelmĂ€ĂŸig in Fachzeitschriften.

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