Einkommensteuer | Dividendenbesteuerung von AusschĂŒttungen einer chinesischen Kapitalgesellschaft (FG)

    Eine Person, die in Deutschland ihren Wohnsitz hat und damit der unbeschrĂ€nkten Steuerpflicht unterliegt, ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansĂ€ssig. Eine gleichzeitige AnsĂ€ssigkeit in China (DoppelansĂ€ssigkeit) liegt nach dem in den Streitjahren bis 2018 maßgeblichen chinesischen Steuerrecht nur vor, wenn die Person in China entweder einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat oder sie sich ein Jahr oder lĂ€nger in China aufhĂ€lt (FG Baden-WĂŒrttemberg, Urteil v. 4.8.2022 - 1 K 2898/21; Nichtzulassungsbeschwerde anhĂ€ngig, BFH-Az. I B 48/22).

    Sachverhalt: Der in China geborene KlĂ€ger absolvierte in Deutschland ein technisches UniversitĂ€tsstudium und ist ebenso wie seine Ehefrau seit 2001 deutscher Staatsangehöriger. Aus der Ehe ist ein in den Streitjahren 2013 bis 2018 minderjĂ€hriges Kind hervorgegangen. Die Eheleute hatten im Jahr 2003 ein Reihenhaus in H erworben. Im Jahr 2016 zogen sie in ein Einfamilienhaus in G, das auf einem von ihnen im Jahr 2013 erworbenen GrundstĂŒck neu errichtet worden war. Der KlĂ€ger ist Inhaber verschiedener Unternehmen in China und in Deutschland. In Deutschland hĂ€lt er jeweils 90 Prozent an einer M GmbH und einer Werkzeug GmbH, seine Ehefrau 10 Prozent. In China ist der KlĂ€ger zu 100 Prozent an mehreren Unternehmen beteiligt, die er ab 2001 gegrĂŒndet hatte (Werkzeug Ltd., Gew Ltd., M Ltd., T Ltd. und Werkzeug Ltd., X).

    Bis einschließlich 2007 wurden der KlĂ€ger und seine Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Auf der EinkommensteuererklĂ€rung der Ehefrau fĂŒr 2008 wurde von der Sachbearbeiterin des FA notiert: „Telefonat mit StB, Ehemann lebt seit 2007 wieder in China Einzelveranlagung der EF.“ Ab 1.1.2008 erhielt die Ehefrau fĂŒr die Einzelveranlagung eine neue Steuernummer. Sie erklĂ€rte fĂŒr die VeranlagungszeitrĂ€ume 2008 bis 2018 EinkĂŒnfte aus nichtselbstĂ€ndiger TĂ€tigkeit als GeschĂ€ftsfĂŒhrerin der M GmbH und der Werkzeug GmbH.

    Nach einer SteuerfahndungsprĂŒfung und Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen ging das FA von einem fortbestehenden Wohnsitz des KlĂ€gers im Inland aus und erließ fĂŒr die Streitjahre 2013 bis 2018 Einkommensteuerbescheide, in denen GewinnausschĂŒttungen der chinesischen Gesellschaften des KlĂ€gers als EinkĂŒnfte aus Kapitalvermögen erfasst wurden. Hieraus ergaben sich Einkommensteuernachzahlungen von etwa 3 Mio. €. Die Zinsfestsetzungen ergingen hinsichtlich der VerfassungsmĂ€ĂŸigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat jeweils vorlĂ€ufig. Mit seinem Einspruch trug der KlĂ€ger vor, er wĂŒrde seit 2007 unter der Ladungsanschrift in seiner Villa in China wohnen. Diese Immobilie hĂ€tten er und seine Ehefrau im Jahr 2007 zu jeweils hĂ€lftigem Miteigentum erworben. Im Jahr 2008 habe er sich aus Deutschland „ins Ausland“ abgemeldet. Von seiner Ehefrau und seiner Familie lebe er seit 2006 getrennt.

    Das FG wies die Klage wegen Einkommensteuer 2013 bis 2018 ab. Zu Gunsten des KlÀgers wurden nur die Zinsfestsetzungen geÀndert:

    Die Zinsbescheide sind rechtswidrig, soweit eine Verzinsung i.H. von 0,5 Prozent im Monat ab dem 1.1.2019 erfolgt ist. Aufgrund des am 22.7.2022 in Kraft getretenen sog. Zinsanpassungsgesetz sind die Zinsen in den FĂ€llen des § 233a AO abweichend von § 238 Abs. 1 Satz 1 AO rĂŒckwirkend ab dem 1.1.2019 fĂŒr jeden Monat mit 0,15 Prozent, d.h. 1,8 Prozent pro Jahr festzusetzen.

    Der ZinsĂ€nderung stet nicht Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO entgegen. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des FA, dieser Regelung liege der Rechtsgedanke zugrunde, dass weiterhin die Voraussetzungen fĂŒr die vorlĂ€ufigen Zinsfestsetzungen gegeben seien, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen fĂŒr die Anwendung des neuen, geringeren Zinssatzes noch nicht vorlĂ€gen und ein Rechtsbehelf daher mangels Vorliegens eines RechtsschutzbedĂŒrfnisses unzulĂ€ssig sei. ZunĂ€chst ist es vorliegend unstreitig möglich gewesen, sog. manuelle Bescheide zu erlassen, so dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen fĂŒr die Anwendung von § 238 Abs. 1a AO im Einzelfall vorliegen. Auch verfolgt Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO den Zweck, dass die Finanzverwaltung im steuerlichen Massenverfahren (wie bisher) Zinsfestsetzungen vorlĂ€ufig erlassen kann, obwohl die Voraussetzungen von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO nach dem Inkrafttreten des Zinsanpassungsgesetzes nicht mehr vorliegen. Darum geht es aber vorliegend nicht, sondern um die RechtmĂ€ĂŸigkeitsprĂŒfung von Verwaltungsakten. Soweit das FA daher beantragt, das Verfahren wegen der Zinsfestsetzungen abzutrennen und auszusetzen, bis die Finanzverwaltung die Voraussetzungen fĂŒr eine automationsgestĂŒtzte Anwendung von § 238 Abs. 1a AO geschaffen hat, ist dies abzulehnen. Eine Verfahrenstrennung ist nicht prozessökonomisch und eine Verfahrensaussetzung mangels Vorgreiflichkeit nicht möglich.

    RechtmĂ€ĂŸigkeit der Einkommensteuerbescheide

    Die Einkommensteuerbescheide sind rechtmĂ€ĂŸig, weil der KlĂ€ger im Inland unbeschrĂ€nkt einkommensteuerpflichtig ist und Deutschland auch das Besteuerungsrecht hinsichtlich der GewinnausschĂŒttungen zusteht.

    UnbeschrÀnkte Steuerpflicht des KlÀgers wegen Wohnsitz im Inland

    Der KlĂ€ger ist in Deutschland unbeschrĂ€nkt steuerpflichtig. Er hat in den Streitjahren seinen Wohnsitz im Inland, zunĂ€chst in H und ab 2016 mit der Fertigstellung des GebĂ€udes in G, gehabt. Ihm haben dort jederzeit RĂ€umlichkeiten zur VerfĂŒgung gestanden, die ĂŒber eine lediglich kurzfristige, vorĂŒbergehende oder eine bloß notdĂŒrftige Unterbringungsmöglichkeit weit hinausgegangen sind. Auch ist er hĂ€lftiger MiteigentĂŒmer der jeweiligen Wohnungen gewesen, so dass ihm ein Anspruch auf Nutzung zugestanden hat bzw. weiter zusteht. Seine Nutzungsmöglichkeiten sind weder durch Vereinbarungen noch durch Absprachen derart beschrĂ€nkt gewesen, dass er die Wohnung nicht jederzeit fĂŒr einen Wohnaufenthalt hĂ€tte nutzen können.

    Wer - wie der KlĂ€ger zuletzt in G - in einer Bleibe jedenfalls ĂŒber eine Schlafgelegenheit, ein Ankleidezimmer und einen Stellplatz fĂŒr einen stets zur Nutzung vorgehaltenen Pkw verfĂŒgt, hat einen Wohnsitz im Inland. Dass der KlĂ€ger bei Aufenthalten in Deutschland nur zur Ersparnis von Hotelkosten in seinen ihm mitgehörenden RĂ€umlichkeiten ĂŒbernachtet haben will, ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Von seiner jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit hat der KlĂ€ger auch Gebrauch gemacht. In jedem Jahr des Streitzeitraums hat er - bis auf das Jahr 2017 - mehr als 90 Tage in Deutschland und davon ganz ĂŒberwiegend -zunĂ€chst in H, ab 2016 in G- in seinen RĂ€umlichkeiten verbracht. Selbst wenn er von hier aus einige GeschĂ€ftsreisen innerhalb Deutschlands unternommen haben sollte, bleibt ein substantieller Anteil an Aufenthalten in der Immobilie in G. Auch hat der KlĂ€ger die laufenden Kosten fĂŒr das Haus in G (RundfunkgebĂŒhren, Strom, Wasser, Gas und Abwasser) getragen.

    Keine familienrechtliche Trennung

    Der KlĂ€ger hat auch nicht - wie von ihm behauptet - seit 2006 im familienrechtlichen Sinne von seiner Ehefrau getrennt gelebt. In einer Gesamtschau besteht zwischen dem KlĂ€ger und seiner Ehefrau eine hĂ€usliche Gemeinschaft. Sie haben alle wichtigen Festtage und persönlichen AnlĂ€sse gemeinsam mit den Kindern gefeiert und ihre Unternehmen in Deutschland gemeinsam betrieben. Sie haben alle wichtigen Fragen das Haus betreffend (Bebauung und Einrichtung) einvernehmlich geregelt und wechselseitig VerfĂŒgungsbefugnis ĂŒber ihre Privatkonten gehabt. Auch spricht nichts dafĂŒr, dass sich zumindest einer der Ehegatten subjektiv von der Ehe gelöst hat. Jedenfalls hat - bei einer unterstellten Trennung ab dem Jahr 2006 - keine Veranlassung fĂŒr den KlĂ€ger bestanden, im Jahr 2013 das GrundstĂŒck in G gemeinsam mit seiner Ehefrau zu erwerben und aufwĂ€ndig zu bebauen. Nicht zuletzt sind die Eheleute trotz der angeblichen Trennung im Jahr 2006 bis heute weder geschieden noch ist ein Ehescheidungsverfahren anhĂ€ngig.

    Steuerbare GewinnausschĂŒttungen (EinkĂŒnfte aus Kapitalvermögen)

    Der KlĂ€ger hat steuerbare BezĂŒge aus den GewinnausschĂŒttungen seiner (auslĂ€ndischen) Kapitalgesellschaften bezogen (Werkzeug Ltd., Gew Ltd. und T Ltd. jeweils X), die den EinkĂŒnften aus Kapitalvermögen zuzuordnen sind und die mangels Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen. Die BeteiligungsbezĂŒge von auslĂ€ndischen Kapitalgesellschaften unterfallen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn die auslĂ€ndische Gesellschaft und das zum Bezug fĂŒhrende auslĂ€ndische Beteiligungsrecht ihrer Struktur nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallenden inlĂ€ndischen Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entspricht. Dies ist nach dem sog. Typenvergleich festzustellen. Die chinesische Ltd. ist mit einer GmbH vergleichbar. Es handelt sich dabei um eine Kapitalgesellschaft mit einer beschrĂ€nkten Haftung im AußenverhĂ€ltnis, die im Wesentlichen im chinesischen Gesellschaftsrecht (PRC Company Law) geregelt ist. Die Gesellschaftsrechte des Inhabers Ă€hneln dem eines GmbH-Gesellschafters.

    Deutsches Besteuerungsrecht fĂŒr GewinnausschĂŒttungen nach DBA-China

    Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der GewinnausschĂŒttungen stet nach dem einschlĂ€gigen DBA Deutschland zu. Eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 SĂ€tze 1 und 2 EStG ist nicht vorzunehmen, da die KapitalertrĂ€ge in China nicht besteuert worden sind. Sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich des DBA-China sind eröffnet. Dabei gilt das (alte) DBA-China vom 10.6.1985 bis zum 5.4.2016 und das (neue) DBA-China vom 28.3.2014 gilt ab 6.4.2016 (BGBl II 2016, 1005). Die Regelungen sind - soweit sie den Streitfall betreffen - weitgehend inhaltsgleich. Nach Art. 1 DBA-China gilt das Abkommen fĂŒr Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansĂ€ssig sind und sachlich nach Art. 2 Abs. 1 DBA-China fĂŒr Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die in einem der Vertragsstaaten erhoben werden.

    Der KlÀger ist nur in Deutschland ansÀssig.

    Der abkommensrechtliche Begriff der AnsĂ€ssigkeit ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Er schrĂ€nkt die Abkommensberechtigung auf solche Personen ein, die nach dem Recht zumindest eines der Vertragsstaaten aufgrund von ortsbezogenen Merkmalen in einem Vertragsstaat der Steuerpflicht unterliegen. Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der AnsĂ€ssigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrĂŒckliche AnknĂŒpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats. Die AufzĂ€hlung der Kriterien, aus denen sich die Steuerpflicht ergeben kann, verdeutlicht, dass sich die unbeschrĂ€nkte Steuerpflicht aus ortsbezogenen Merkmalen des nationalen Steuerrechts ableitet. Auf die tatsĂ€chliche Besteuerung im AnsĂ€ssigkeitsstaat kommt es dagegen nicht an.

    Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige schon nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat ansÀssig ist. Nur bei einer sog. DoppelansÀssigkeit, d.h. bei AnsÀssigkeit in beiden Vertragsstaaten, bestimmt Art. 4 Abs. 2 DBA-China, in welchem Staat eine Person abkommensrechtlich als ansÀssig gilt. Der andere Vertragsstaat kann dann lediglich Quellenstaat sein.

    Keine DoppelansÀssigkeit in Deutschland und China

    Da der KlĂ€ger seinen Wohnsitz in Deutschland hat und der unbeschrĂ€nkten Steuerpflicht unterliegt, ist er nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansĂ€ssig. Er ist nicht gleichzeitig in China ansĂ€ssig. Nach chinesischem Steuerrecht ist fĂŒr die dortige unbeschrĂ€nkte, persönliche Steuerpflicht grundsĂ€tzlich maßgeblich, ob eine Person dauerhaft in China wohnhaft ist oder sich dort mindestens fĂŒnf Jahre ohne wesentliche Unterbrechung aufhĂ€lt. Bis zum Ablauf von fĂŒnf Jahren wird eine Mischform von beschrĂ€nkter und unbeschrĂ€nkter Steuerpflicht angewendet, wonach gewisse EinkĂŒnfte aus chinesischen Quellen vollumfĂ€nglich, KapitaleinkĂŒnfte jedoch nur beschrĂ€nkt steuerpflichtig sind. Vorliegend ist aufgrund des Streitzeitraums auf den Rechtsstand des chinesischen Steuerrechts bis zum 31.12.2018 abzustellen, so dass die umfassende Reform des Einkommensteuerrechts in China mit Wirkung zum 1.1.2019 unbeachtlich ist.

    Keine unbeschrÀnkte Steuerpflicht nach chinesischem Steuerrecht

    Im Streitfall hat sich der Senat die Kenntnisse ĂŒber das chinesische Steuerrecht als Tatsache (§ 293 Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO) durch die allgemein verfĂŒgbaren Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, Kommentierungen und den Vortrag der Beteiligten verschafft. Danach gibt es im chinesischen Steuerrecht in den Streitjahren zwei AnknĂŒpfungspunkte fĂŒr die unbeschrĂ€nkte Steuerpflicht. Die unbeschrĂ€nkte Steuerpflicht einer natĂŒrlichen Person in China setzt in den Streitjahren voraus, dass sie in China entweder, in Anlehnung an das Prinzip des „domicile“ aus dem Common Law nach Art. 1 Abs. 1, 1. Alt. des Individual Income Tax Law of the PRC (IITL) i.V.m. Art. 2 der chinesischen Einkommensteuer-DurchfĂŒhrungsverordnung (chin. EStDV), einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat, oder dass sie sich ein Jahr oder lĂ€nger in China aufhĂ€lt (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art. 3 chin. EStDV).

    Kein Domizil des KlÀgers in China

    Der Begriff Domizil ist im Sinne einer dauerhaften Absicht, in dem jeweiligen Land zu verweilen, zu verstehen. Er ist einem qualifizierten Wohnsitz vergleichbar und kann nur an einem Ort bestehen. Nach Art. 2 chin. EStDV hat eine natĂŒrliche Person ihr Domizil in China, wenn sie aufgrund ihrer (stĂ€dtischen) Registrierung, ihrer FamilienverhĂ€ltnisse sowie ihrer wirtschaftlichen VerhĂ€ltnisse ihren gewöhnlichen Aufenthalt in China hat. Somit haben auslĂ€ndische BĂŒrger, die sich nur aufgrund ihrer TĂ€tigkeit in China aufhalten, grundsĂ€tzlich keinen Wohnsitz in China, weil ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in China liegt. HĂ€tte der KlĂ€ger allein aufgrund seiner wirtschaftlichen VerhĂ€ltnisse („economic interests“ nach Art. 2 chin. EStDV) ein Domizil in China, wĂ€re er dort unbeschrĂ€nkt steuerpflichtig. Das vertritt aber selbst der KlĂ€ger im Ergebnis nicht, da er dann in China „domiciled“ wĂ€re und nicht lediglich „fiscal resident“. Letzteres soll ihm aber die chinesische Steuerverwaltung bescheinigt haben („Chinese fiscal resident“).

    Kein Aufenthalt von einem Jahr oder lÀnger

    Der Aufenthalt von einem Jahr oder lĂ€nger - der neben dem Domizil ebenfalls die unbeschrĂ€nkte Steuerpflicht auslöst - meint einen Aufenthalt in China von 365 Tagen im Steuerjahr (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 chin. EStDV). Ein Steuerjahr in diesem Sinne entspricht dem Kalenderjahr (Art. 44 chin. EStDV). Lediglich vorĂŒbergehende Abwesenheitstage werden nicht berĂŒcksichtigt (Art. 3 Abs. 1 chin. EStDV). VorĂŒbergehende Abwesenheitstage bedeuten einen Aufenthalt außerhalb Chinas von nicht mehr als 30 Tagen und bei mehreren Abwesenheiten von nicht mehr als 90 Tagen pro Steuerjahr (Art. 3 Abs. 2 chin. EStDV). Die Aufenthaltsdauer in China wird anhand des Einreise- und Ausreisedatums (via Stempel) im Reisepass festgestellt. DemgegenĂŒber sind natĂŒrliche Personen, die kein Domizil oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in China haben, weil sie sich weniger als 365 Tage in einem Steuerjahr in China aufhalten, nur mit ihren chinesischen EinkĂŒnften beschrĂ€nkt steuerpflichtig (Art. 1 Abs. 2 IITL).

    Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass der KlĂ€ger einer persönlich unbeschrĂ€nkten Steuerpflicht in China unterliegt. Seine Abwesenheitstage in China haben - selbst nach den Schilderungen des KlĂ€gers - in jedem Streitjahr mehr als 90 Tage betragen, so dass er eine persönliche Steuerpflicht im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IITL vermeidet. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der KlĂ€ger auch vor den Streitjahren in vergleichbarem Umfang, d.h. jĂ€hrlich mehr als 90 Tage außerhalb Chinas aufgehalten hat. Denn weder hat der KlĂ€ger insoweit Abweichungen vorgetragen noch ergibt sich eine Änderung seines Reiseverhaltens aus den sonstigen UmstĂ€nden.

    Die Bescheinigungen ĂŒber eine Besteuerung seiner ArbeitseinkĂŒnfte steht dem nicht entgegen, da diese der beschrĂ€nkten Steuerpflicht unterliegen (Art. 1 Abs. 2 IITL i.V.m. Art. 5 Abs. 1 chin. EStDV) und damit nichts ĂŒber eine unbeschrĂ€nkte Steuerpflicht aussagen. Soweit der KlĂ€ger Bescheinigungen vorlegt, die ihn als „Chinese fiscal resident“ bezeichnen, folgt daraus keine AnsĂ€ssigkeit des KlĂ€gers in China im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China. AnsĂ€ssigkeitsbescheinigungen eines anderen Vertragsstaats haben keine Bindungswirkung. Ob UmstĂ€nde vorliegen, die im anderen Vertragsstaat nach dessen Recht eine AnsĂ€ssigkeit begrĂŒnden, muss jeder Staat selbstĂ€ndig prĂŒfen.

    Jedenfalls Lebensmittelpunkt in Deutschland

    Selbst wenn der KlĂ€ger aber in China aufgrund einer persönlich unbeschrĂ€nkten Steuerpflicht besteuert werden wĂŒrde und damit - neben Deutschland - auch in China ansĂ€ssig wĂ€re, gilt er nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China nur als in Deutschland ansĂ€ssig, denn er hat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland. Der KlĂ€ger hat zwar sowohl in Deutschland als auch in China eine stĂ€ndige WohnstĂ€tte. Da aber die persönlichen Beziehungen des KlĂ€gers in Deutschland ĂŒberwiegen (Ehefrau, minderjĂ€hriges Kind) und die wirtschaftlichen Beziehungen in Deutschland und China in gleichem Maße ausgeprĂ€gt sind, ĂŒberwiegen in einer Gesamtschau die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des KlĂ€gers in Deutschland, so dass hier der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt.

    Jedenfalls AnsÀssigkeit in Deutschland wegen Staatsangehörigkeit

    Selbst wenn sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht feststellen lÀsst - was der Senat nur hilfsweise unterstellt -, hÀtte der KlÀger seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in Deutschland als auch in China, so dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit auch in diesem Fall als in Deutschland ansÀssig gilt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China). Daher ist der KlÀger auf jeden Fall (unter mehreren abkommensrechtlichen Gesichtspunkten) im Inland und nicht in China ansÀssig.

    Deutsches Besteuerungsrecht fĂŒr GewinnausschĂŒttungen

    Das Besteuerungsrecht fĂŒr die GewinnausschĂŒttungen der chinesischen Ltd.‘s steht Deutschland zu. Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-China können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansĂ€ssige Gesellschaft (China) an eine im anderen Vertragsstaat (Deutschland) ansĂ€ssige Person zahlt, im anderen Staat (Deutschland) besteuert werden (sog. Verteilungsnorm). Dem AnsĂ€ssigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft steht grundsĂ€tzlich ein der Höhe nach begrenzter Quellensteuerabzug zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-China).

    Keine Steuerfreistellung der GewinnausschĂŒttungen

    Die GewinnausschĂŒttungen sind in Deutschland nicht von der Besteuerung freigestellt. Nach Art. 24 Abs. 2 DBA-China (Art. 23 Abs. 2 DBA-China) wird eine mögliche Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt vermieden (sog. Methodenartikel): Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden grundsĂ€tzlich die EinkĂŒnfte aus China sowie die in China gelegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach diesem Abkommen in China besteuert werden können (sog. Freistellungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China). FĂŒr EinkĂŒnfte aus Dividenden gilt die vorstehende Bestimmung aber nur dann, wenn Dividenden an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansĂ€ssige Gesellschaft von einer in China ansĂ€ssigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 Prozent (25 Prozent) unmittelbar der deutschen Gesellschaft zuzuordnen ist (sog. Schachtelprivileg; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China]). In den ĂŒbrigen FĂ€llen, d.h. bei Zahlung einer Dividende an eine natĂŒrliche Person, wird die nach chinesischem Recht und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlte auslĂ€ndische Steuer auf die deutsche Steuer unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts angerechnet (sog. Anrechnungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. b (i) DBA-China]).

    Da China vorliegend von seinem Quellensteuerrecht aus GrĂŒnden der Ansiedlung von auslĂ€ndisch investierten Gesellschaften keinen Gebrauch gemacht hat, scheidet eine Anrechnung, die nach deutschem Steuerrecht auf der Grundlage von § 32d Abs. 5 EStG durchzufĂŒhren wĂ€re, aus.

    Quelle: FG Baden-WĂŒrttemberg, Newsletter 3/2022 (il)

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