Einzelbetten statt Doppelbett als Reisemangel oder „Das glaub’ ich jetzt aber wirklich nicht“

Unser Dozent Herr Ralf Sikorski hat in seinem aktuellen Werk „Im Namen des Volkes“ Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auf‘s Korn genommen und insbesondere lesenswerte Urteile zusammengetragen, bei denen der Richter mit spitzer Feder und feinfühligem Humor Stellung nimmt und nicht einfach nur entscheidet. Jedes Urteil eine Stilblüte ganz eigener Art. Aber entscheiden Sie selbst, denn er hat dabei jeweils nicht nur jedes einzelne Urteil recherchiert, sondern auch die passenden und lesenswerten Testpassagen im Original abgedruckt. Heute gibt es als kleine Lektüre das Lieblingsurteil von Herrn Sikorski:

Aus dem Buch "Im Namen des Volkes" von Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski mit Zeichnungen von Karikaturist Philipp Heinisch (erschienen im Erich-Schmidt-Verlag)

Mein absolutes Lieblingsurteil, das je von einem Juristen geschrieben wurde, ist ein Urteil des Amtsgericht Mönchengladbach aus dem Jahr 1991 (AG Mönchengladbach vom 25.4.1991, Az. 5a C 106/91). Mit juristischer Finesse, Einfühlungsvermögen für einen Querulanten als Kläger und mit ganz feinem Humor hat der zuständige Richter eine Klage auf Schadenersatz wegen eines angeblichen Reisemangels abgewiesen, die erhoben wurde, weil im Hotelzimmer statt des erwarteten Doppelbetts zwei Einzelbetten aufgestellt waren.

„Der Kläger hatte bei der Beklagten (Reisegesellschaft) für sich und seine Lebensgefährtin eine Urlaubsreise nach Menorca im Hotel LC gebucht. Geschuldet war die Unterbringung in einem Doppelzimmer mit Doppelbett. Der Kläger trägt vor, nach der Ankunft habe er feststellen müssen, daß es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gegeben habe, sondern zwei separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden gewesen waren. Bereits in der ersten Nacht habe er feststellen müssen, daß er hierdurch in seinen Schlaf- und Beischlafgewohnheiten empfindlich beeinträchtigt worden sei.

Ein friedliches und harmonisches Einschlaf- und Beischlaferlebnis sei während der gesamten 14-tägigen Urlaubszeit nicht zustande gekommen, weil die Einzelbetten, die zudem noch auf rutschigen Fliesen gestanden hätten, bei jeder kleinsten Bewegung mittig auseinandergegangen seien. Ein harmonischer Intimverkehr sei deshalb nahezu völlig verhindert worden.“

Der Kläger verlangte Schadenersatz wegen „nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit“ in Höhe von 20 % des Reisepreises. Der erhoffte Erholungswert, die Entspannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin seien erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies habe bei ihm und seiner Lebensgefährtin zu erheblicher Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt. So habe man sich die gebuchte Zweisamkeit nicht vorgestellt. Der Erholungswert, den man im Allgemeinen ja von einem Urlaub erwartet, habe darunter erheblich gelitten, was den geforderten Schadenersatz rechtfertige.

Interessanterweise bat die beklagte Reisegesellschaft um Abweisung der Klage mit der juristischen Begründung, die Klage könne nicht wirklich ernst gemeint sein. Sicherlich in der Geschichte ein einmaliger Antrag, eine Klage abzuweisen!

Das Gericht nahm die Klage aber an und begründete die Zulässigkeit der Klage wie folgt:

„Die Klage ist zulässig. Der Beklagten ist zuzugeben, daß hier leicht der Eindruck entstehen könnte, die Klage sei nicht ernst gemeint. Die Zivilprozessordnung sieht allerdings einen derartigen Fall nicht vor, so daß es hierfür auch keine gesetzlich vorgeschriebenen Konsequenzen gibt.“

Alles, was vor Gericht vorgetragen wird, ist also ernst gemeint, weil der Gesetzgeber einen anderen Fall gar nicht vorgesehen hat. Aber ich glaube, der Richter wollte diesen Fall auch entscheiden und der Nachwelt ein entsprechendes Urteil hinterlassen. Denn er entschied dann in der Hauptsache wie folgt:

„Die Klage ist in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgeklärt zu werden (schade eigentlich), denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet seien. Dies ist hier nicht der Fall.“

Und jetzt kommt’s, festhalten:

„Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, daß der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen. Aber selbst, wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein festverbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn er Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen.

Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen der Betten durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Eine Schnur wäre für wenig Geld schnell zu besorgen.“

Und jetzt: Trommelwirbel, großes Finale:

„Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion in diesem Augenblick sicher nicht benötigt.“
 

Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski ist nach langjähriger Dozententätigkeit an der Fachhochschule für Finanzen in Nordrhein-Westfalen heute Sachgebietsleiter in einem Finanzamt. Seine Dozentenrolle nimmt er daneben immer noch bei zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen wahr. Darüber hinaus hat er sich als Autor diverser steuerlicher Lehr- und Praktikerbücher einen Namen gemacht. Seine Stilblütensammlungen „Meine Frau ist eine außergewöhnliche Belastung“, „Wo bitte kann ich meinen Mann absetzen“ und „Ich war Hals über Kopf erleichtert“ sowie das Märchenbuch „Von Steuereyntreibern und anderen Blutsaugern“ runden sein vielfältiges Tätigkeitsbild ab. Der o. g. Text ist seinem aktuellen satirischen Werk „Im Namens des Volkes“ entnommen.

Erhältlich ist das Buch hier im Erich-Schmidt-Verlag

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