Kryptowährungen und NFTs - Steuerrecht vor der Zerreißprobe

Mit den Begriffen Bitcoin, NFT und Blockchain hatte bereits ein jeder von uns Berührungspunkte, sei es nun in den Nachrichten, über Freunde oder im beruflichen Umfeld. Um zu erklären, was genau hinter diesen Begriffen steckt würde ein vielfaches Volumen als das für diesen Beitrag verfügbare benötigen. Das es nicht so einfach ist Struktur in diese „New World“ der Finanzmittel zu bringen, durfte auch das BMF feststellen, dass nach beinahe einem Jahr der Wartezeit den Entwurf vom 17.06.2021 in ein finales BMF-Schreiben vom 10.05.2022 umgearbeitet hat. Auf 24 Seiten nimmt der Gesetzgeber umfassend zur steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen Stellung. Es ist dabei zu bedauern, dass auch dieses Schreiben innerhalb von kürzester Zeit überholt sein wird.

Um aber den Kern dieses BMF-Schreibens nachvollziehen zu können, muss im ersten Schritt die Frage beantwortet werden: Was genau sind „virtuelle Währungen und sonstige Token“?

Ein Token (zu Deutsch: eine Wertmarke) ist ein Objekt undefinierter Natur, welcher ein spezifischer Wert zugeordnet werden kann. Man kennt diese Marken zum Beispiel vom Jahrmarkt oder dem Dorffest wo es „Märkchen“ zu kaufen gab, die im Wert von den Betreibern definiert wurden. 10 Märkchen kosten 15 €, für zwei Märkchen bekommt man ein Bier oder eine Limo. Eben dieses Prinzip wird nun auch im digitalen Sektor angewandt. Bei den Token gibt es verschiedene Unterarten:

  • Currency bzw. Payment Token: Diese sind das Äquivalent zu den o.g. Märkchen, jedem Token wird ein Betrag als Wert zugeordnet und kann vom Besitzer als Zahlungsmittel benutzt werden. Dabei ist der Markt, der für den Token verfügbar ist, abhängig von den Verkäufern die diesen als Zahlungsmittel akzeptieren. Man spricht in diesem Fall von einer virtuellen Währung. Entgegen der Märkchen ist der Wert eines solchen Tokens volatil und kann sich aufgrund der Handelbarkeit der Token verändern.
  • Utility Token: Ein Utility Token repräsentiert ein bestimmtes Recht, sei es nun ein Nutzungs-, Stimm- oder Bezugsrecht.
  • Security Token: Diese sind das Äquivalent zu den klassischen Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen, demnach werden sie auch systematisch unterteilt in:
    • Equity Token: Ein Token der ein Beteiligungsverhältnis repräsentiert und
    • Debt Token: Ein Token der ein Schuldverhältnis repräsentiert

Bewegt man sich im Bereich der Kryptowährungen kommt man nicht am Begriff der Blockchain vorbei. Die Blockchain-Technik wurde entwickelt um Transaktionen ohne die Notwendigkeit eines Intermediäres sicher und nachvollziehbar abzuwickeln. Dabei wird jede neue Transaktion an die letzte Transaktion „angehangen“ und was zu einer manipulationssicheren Kennzeichnung führt. Entscheidend ist dabei, dass im Rahmen der Blockchain die Transaktionsdaten in Blöcken festgehalten werden. Diese Blöcke müssen mithilfe von Rechenleistung nummerisch neu ermittelt werden und werden an die vorangegangen Blöcke angehangen. Dieser Prozess bei dem neue Blöcke geschaffen werden, bezeichnet man als „mining“, „forging“ oder „minting“, abhängig der verwendeten Methode der Herstellung. Die Schaffung neuer Blöcke wird vom Betreiber der Blockchain mit Einheiten einer virtuellen Währung belohnt.

Eben diese „Herstellung“ sieht die Finanzverwaltung als Anschaffungsvorgang an. Gleichzeitig weicht sie von dem noch im Entwurf des BMF-Schreibens vertretenen Grundsatz, dass eine Einzelfallentscheidung notwendig für die Beurteilung ob evtl. eine vermögensverwaltende Tätigkeit vorliegt ist, ab und geht so weit zu sagen: „Die Blockerstellung stellt keine private Vermögensverwaltung dar.“ In Folge dessen ist regelmäßig zu prüfen, ob ein Totalgewinn erzielbar ist, eine Wiederholungsabsicht besteht und ob eine Teilnahme am wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vorliegt. Gerade letztere wird lt. BMF jedoch bereits bei zur Verfügung stellen von Rechenleistung regelmäßig angenommen. Damit ist eine Einstufung als Einkünfte i.S.v.
§ 15 EStG die Folge. Eben jene zwanghafte Einordnung als Anschaffungsvorgang und die damit einhergehende Qualifizierung als gewerbliche Einkünfte hat der bitkom e.V. in seiner Stellungnahme vom 19.07.2021 zum Entwurf des BMF-Schreibens stark kritisiert. Leider versäumt das BMF an dieser Stelle sich effektiv mit der technischen Seite der Thematik auseinander zu setzen. Nach seiner Auffassung kann keine Herstellung von Token in den genannten Methoden vorliegen, da die Token bereits bei Begründung der Blockchain vom Ersteller festgesetzt werden. Dies ist insofern korrekt, als das der Ersteller die Menge seiner virtuellen Währung festlegen kann, so sind z.B. Bitcoins auf 21 Millionen Einheiten limitiert (aktueller Stand: 19 Millionen Einheiten). Eine „Realisierung“ findet jedoch erst im Rahmen der Verteilung statt. Folgt man der Logik der Finanzverwaltung würde dies voraussetzen, dass die hergestellten Einheiten mit den Herstellungskosten (beziffern wir diese im Beispielsfall mit
1,00 €) bewertet werden würden. Erbringt nun eine andere Person eine „Dienstleistung“ indem mit ihrer Rechenleistung ein neuer Block geschaffen wird, erhält diese Person die Einheiten der Währung. Aufgrund der volatilen Natur von Kryptowährungen und ihrer begrenzten Menge entsprechen die Einheiten unserer Person jedoch nicht dem Wert des Herstellers von 1,00 € sondern dem derzeitigen Marktwert der Einheiten (hierzu: Rz. 43-44 des BMF-Schreibens vom 10.05.2022). Da die Leistung der Person anhand des Wertes der erhaltenen Einheiten bemessen wird erhält der Hersteller für die mit 1,00 € hergestellten Einheiten einen Gegenwert in Höhe des Marktwertes. Der Gesetzgeber versäumt es jedoch in seinem BMF-Schreiben auf die Behandlung auf Seiten des Blockchain-Betreibers einzugehen.

Zu Begrüßen ist, dass der Gesetzgeber, wie angekündigt (hierzu: 1. Blockchain-Roundtable der FDP), die Spekulationsfrist von 10 Jahren auf zur Einkunftserzielung genutzten virtuellen Währungen gekippt hat. Es verbleibt lediglich bei einer Behaltedauer von einem Jahr um erworbene virtuelle Währungen steuerfrei veräußern zu können (hierzu: § 22 Nr. 2 i.v.M. § 23 (1) S. 1 Nr. 2 EStG).

Erstaunlich ist jedoch, dass hierbei die NFT, eben jene Token denen eine gewisse „Einzigartigkeit“ zugeordnet wird vollkommen außer Acht bleiben. NFT erfahren derzeit durch entsprechende Positionierung in den einschlägigen Medien und Plattformen einen Bekanntheitsboom. Gerade im Kunst- und Videospielbereich werden fortlaufend Experimente mit NFT’s betrieben, wie z.B. eine Fußballspielapp über welche man NFT von Fußballern erhalten kann, diese handeln oder mit diesen ein Team aufbauen und an Wettbewerben teilnehmen kann. Dabei erhält der Spieler abhängig von der Performance „seiner“ Fußballer einen entsprechenden Betrag in virtueller Währung. Per Gameification werden komplexe Abläufe wie Blockchain der Allgemeinheit verfügbar. Umso mehr ist es erstaunlich, dass gerade dieser „neue Welle“ nicht bereits mit Schreiben eine klare steuerliche Einordnung zukommen gelassen wird. Denn die Bewertung eines NFT ist je nach Art dieses Objekts unterschiedlich, ein digitales Kunstwerk (z.B. von Bored Ape Yacht Club) kann nach bestehenden Rechtsmaßstäben bewertet werden, ein virtuelles Grundstück im Metaverse dagegen ist schon deutlich schwieriger zu beurteilen und ein NFT eines Fußballspielers ist im Endeffekt steuerliches Neuland. Hierbei wird sich in der Praxis regelmäßig mit einer Mischung aus „Altbekanntem“ und den neuen Grundsätzen des BMF-Schreibens beholfen werden müssen, um genau diese Fälle beurteilen zu können. Insbesondere unklar ist, ob die Befreiung der Spekulationsfrist für alle virtuellen Wertgegenstände gilt oder eben nur für die virtuellen Währungen. In diesem Falle würde eine Veräußerung eines virtuellen Grundstücks im Metaverse innerhalb der Spekulationsfrist zu Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 (1) S. 1 Nr. 2 EStG führen. Das Problem dahinter ist, dass eben über die bereits genannte Gameification der Inhalte, ein Einstieg in diese Prozesse deutlich erleichtert wird und es oftmals für den Nutzer unklar sein kann, welchen Effekt seine Handlungen im steuerlichen Bereich ausgelöst haben. Das eine solche steuerliche Würdigung möglich ist bewies erst kürzlich der fünfte Senat des BFH in seinem Urteil vom 18.11.2021 (V R 38/19) in welchem er zur Fragestellung der Steuerbarkeit einer „Vermietung“ von virtuellem Land in einem Online-Spiel Stellung nahm. Dies zeigt, dass sich auch das Steuerrecht nicht vor den Neuerscheinungen der Digitalisierung verstecken kann. Vielmehr ist es wichtig, dass nunmehr frühzeitig Regelungen geschaffen werden, welche es den Steuerpflichtigen möglich macht rechtssicher in dieser neuen Umgebung agieren zu können. Denn wie Prof. Dr. Heuermann treffend formulierte: „Die Welten sind nicht so einfach zu trennen - auch virtuelle oder Subwelten gibt es und sie wirken auf das reale Geschehen ein.  Sie sind nicht irreal!“ (Heuermann zu BFH-Urteil v. 18.11.2021 - V R 38/19 in DStR 11/2022; S. 547 - 553)

Das BMF versäumt leider mit seinem Schreiben den Zeitgeist zu treffen, vielmehr liefert es Antworten auf Fragen die es bereits vor acht Jahren zu beantworten gegolten hätte. Die schnelle und volatile Entwicklung von virtuellen Währungen, NFT und Metaverse stellen neue Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit des Gesetzgebers. Gleichzeitig tritt eine neue Form der Unsicherheit in die Beraterpraxis ein, da es unmöglich ist zu sagen, wie der Gesetzgeber die neuen Anlageformen in Zukunft noch angehen wird. Um als Berater sicher agieren zu können ist unerlässlich proaktiv die Mandanten über diese neuen Beratungsfelder zu informieren und bereits vor dem Erwerb dieser Anlagen in den Erwerbsprozess einbezogen zu werden.

Es bleibt abzuwarten ob der Gesetzgeber sich nun auf diesem neuen BMF-Schreiben ausruhen wird oder ob auch er beginnt ein proaktives und rechtssicheres Besteuerungsverfahren aufzubauen.

Das BMF-Schreiben ist auf alle am 10.05.2022 offenen Fälle anzuwenden. Im Hinblick auf NFT und Objekte im Metaverse besteht weiterhin erheblicher Klärungsbedarf ob und wenn ja, wie diese als steuerliches Wirtschaftsgut zu behandeln sind. Weiterhin bleibt das Thema einer „Krypto“-Steuererklärung weithin unangetastet, zum einen fehlt es hier auf Seiten der Finanzverwaltung an Kontrollinstrumenten, zum anderen fehlt es auf Beraterseite an effektiven Handwerksmitteln um die Erstellung einer solchen Erklärung bewältigen zu können. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber am Beispiel der Kapitalertragsteuer ein ähnlich übersichtliches Meldeverfahren für Kryptobörsen schaffen würde. Alternativ wäre auch die Vorgabe eines einheitlichen Schemas für die Steuerberichte der Börsen eine Möglichkeit diesen erheblich komplizierten Weg der Informationsbeschaffung für die Beteiligten zu vereinfachen.

Es bleibt abschließend zu hoffen, dass sich bei den Kyptowährungen kein Flickenteppich der Gesetzgebung bildet, wie er in der Vergangenheit oft zu beachten war. Und wenn der Gesetzgeber bereits zu einem solch aktuellen Thema Stellung nimmt, warum nicht auch die Integration von Blockchain in die bestehenden Meldeverfahren prüfen? Denn eins ist klar, die zwei Welten der virtuellen und der physischen Welt werden nicht aufhören einander zu überlappen sondern mit der Zeit beginnen zu verschmelzen.

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